Überstunden

 

Inhaltsverzeichnis:

Überstunden

I. Anordnung von Überstunden

II. Ausgleich von Überstunden

III. Vergütungsanspruch oder Freizeitausgleich bei Überstunden 

IV. Zeitpunkt des Zahlungsanspruchs

V. Pauschale Abgeltung von Überstunden

1. Pauschale Abgeltung von Überstunden bei Besserverdiener

2. Pauschale Abgeltung von Überstunden gem. der arbeitsvertraglichen Vereinbarung bei Personen, die unter den Beitragsbemessungsgrenzen verdienen

 

I. Anordnung von Überstunden

Überstunden dürfen grds. nur angeordnet werden, wenn es vertraglich vereinbart wurde. Ansonsten dürfen Überstunden nur in einer Notlage für den Betrieb vom Arbeitnehmer abverlangt werden.

II. Ausgleich von Überstunden

Die Überstunden müssen vom Arbeitgeber angeordnet worden sein oder der Arbeitgeber muss die vom Arbeitnehmer erbrachten Überstunden kennen und mit deren Erbringung einverstanden gewesen sein bzw. diese geduldet haben (BAG, Urteil vom 04.05.1994, Az. 4 AZR 445/93). Gibt es keine Regelung, so darf der Arbeitgeber entscheiden, ob es zu einem bezahlten Freizeitausgleich oder zu einer Abgeltung der Überstunden kommt (BAG, Urteil vom 23.01.2001, Az. 9 AZR 26/00). Zu einer Abgeltung kommt es zwingend nur dann, wenn infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Überstunden nicht mehr durch Freizeitausgleich abgebaut werden können.

III. Vergütungsanspruch oder Freizeitausgleich bei Überstunden 

Ist die Abgeltung der Überstunden im Arbeitsvertrag geregelt, so werden die Überstunden grds. gem. dieser Regelung abgegolten. Ist nichts im Arbeitsvertrag geregelt oder ist die Klausel unwirksam, besteht ein Vergütungsanspruch für Überstunden, wenn die Arbeitsleistung nur gegen Vergütung zu erwarten ist (§ 612 Abs. 1 BGB). Letzteres ist anhand objektiver Kriterien, Dauer, Art, Umfang, Stellung des Arbeitnehmers zu ermitteln. Dass und in welchem Umfang Überstunden geleistet wurden und diese auch angeordnet bzw. geduldet wurden, ist vom Arbeitnehmer zu beweisen, was in der Praxis häufig zu Problemen für den Arbeitnehmer führt. Anstatt die Überstunden abzugelten, kann der Arbeitgeber ebenso den Freizeitausgleich gewähren.

Werden die Überstunden abgegolten, so sind die Überstunden mit dem Stundenlohn zu multiplizieren. Ist der Stundenlohn nicht festgeschrieben, so wird zur Ermittlung das monatliche Grundgehalt durch die Stundenzahl geteilt. Bei einer wöchentlich geschuldeten Stundenzahl wird diese zunächst mit 4,35 multipliziert, um die monatliche Stundenzahl zu ermitteln.

Der Arbeitgeber kann auch entsprechend der Anzahl der Überstunden Freizeitausgleich gewähren. Wir der Arbeitnehmer in einem Zeitraum, für den Freizeitausgleich gewährt wurde, krankheitsbedingt arbeitsunfähig, so besteht kein Anspruch auf Nacherfüllung. Eine entsprechende Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG), wonach der Urlaub nachzugewähren wäre, scheidet aus. Der Arbeitnehmer trägt hier das Risiko, seine Freizeit nutzen zu können (LAG Mainz, Urteil vom 19.11.2015, Az. 5 Sa 342/15).

IV. Zeitpunkt des Zahlungsanspruchs

Ist nicht geregelt, wann der Anspruch auf Auszahlung der Überstunden fällig wird, so wird der Anspruch sofort fällig (vgl. § 271 BGB). Dem Arbeitgeber ist zuzugestehen, dass er die Zahlung mit dem Grundlohn des Folgemonats abgilt.

V. Pauschale Abgeltung von Überstunden

Eine Klausel, die eine pauschale Abgeltung von Überstunden vorsieht, ist grds. unwirksam (dies stellt grds. einen Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S. 2. BGB dar; BAG, Urteil vom 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, DB 2011 S. 61; BAG, Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 765, 10, DB 2012 S. 1932; BAG, Urteil vom 17.08.2011 – 5 AZR 406/10, DB 2011 S. 2550). Bei einer pauschalen Abgeltung der Überstunden fehlt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einzuschätzen, in welchem Umfang er Überstunden zu erbringen hat. Wann die pauschale Abgeltung von Überstunden jedoch im Einzelnen doch wirksam sein kann, wird unten im Text erläutert:

1. Pauschale Abgeltung von Überstunden bei Besserverdiener

Eine Überstundenvergütung scheidet nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BAGs jedoch bei Besserverdienern aus, wenn der Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag keine andere Regelung vorsieht. Zum Kreis der Besserverdiener zählen Arbeitnehmer, die über der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung von derzeit (2019, west) 80.400 Euro verdienen.
Ansonsten sind Überstunden abzugelten bzw. Freizeitausgleich zu gewähren.

2. Pauschale Abgeltung von Überstunden gem. der arbeitsvertraglichen Vereinbarung bei Personen, die unter den Beitragsbemessungsgrenzen verdienen

Häufig sehen Arbeitsverträge für die Personengruppe, die unter der Grenze in Höhe von 80.400,00 Euro verdient, eine pauschale Abgeltung der Überstunden vor. Wie bereits erwähnt, ist eine derartige pauschale Abgeltungsklausel für Überstunden grds. unwirksam. Mit der Frage, wann eine pauschale Abgeltungsregel im Einzelfall aber doch einmal zulässig sein kann, beschäftigte sich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2012 (5 AZR 331/11), bei der in einem Arbeitsvertrag eine pauschale Abgeltung von zwanzig Überstunden im Monat vorgesehen war. Eine solche Regelung ist hingegen wirksam, da die Anzahl der Überstunden hinreichend qualifiziert ist und der Arbeitnehmer bei einer solchen Regelung weiß, was auf ihn zukommt. Schlussfolgerung: Nach der Entscheidung des BAG vom 16. Mai 2012 darf man also davon ausgehen, dass eine pauschale Abgeltung zulässig ist, wenn die pauschal abgegoltenen Überstunden der Anzahl nach konkret im Arbeitsvertrag aufgeführt sind. In welchem Umfang bzw. ob die pauschale Abgeltung von mehr als 20 Arbeitsstunden zulässig ist, wird noch zu klären sein. In jedem Fall müssen jedoch die Höchstgrenzen des § 3 ArbZG  beachtet werden (d. h. die tägliche Arbeitszeit kann von 8 auf 10 Stunden erhöht werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden [vgl. § 3 ArbZG]).
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VI. Darlegungs- und Beweislast wegen Überstunden beim arbeitsgerichtlichen Porzess

Der Arbeitnehmer hat darzulegen und zu beweisen, dass er Arbeit, in einem die Normalzeit übersteigenden zeitlichen Umfang, verrichtet hat. Der Arbeitnehmer hat darzulegen, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet hat. Weiter musser er vortragen, ob die Übertunden vom AG angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt bzw. geduldet wurden (BAG 17.04.2002 NZA 2002,1340). Darauf muss der Arbeitgeber substanziiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeit er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat (BAG, Urt. v. 16.05.2012 - 5 AZR 347/11). Der Arbeitnehmer hat dann zu beweisen, ob die betrittenen Überstunden geleistet wurden.